Scheiden tut weh! Wie geht es meinem Kind damit?

Lesedauer: 8 Minuten
Inhaltsverzeichnis

Scheidungen als neue Normalität

Seit Corona betreue ich immer mehr Paare, die sich einen gemeinsamen Lebensweg nicht mehr vorstellen können. Dies hat unterschiedliche Ursachen, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte.

Eine Frage, die sich jedoch alle Eltern stellen ist: Wie kann ich mein Kind/ unsere Kinder gut durch diese Zeit begleiten?

Ich selbst bin ein Scheidungskind der 70er Jahre. Damals noch ein Unikat. Heutzutage ein Alltagsbild. Mit mir hat die Scheidung meiner Eltern viel gemacht und war mit ausschlaggebend für meine Berufswahl. Hätten meine Eltern und ich mehr Wissen dazu gehabt, wäre sicher einiges besser gelaufen. Zum Glück hat sich in den Jahren viel getan. Mittlerweile gibt es kostenfreie Ehe- und Scheidungsberatungsstellen, Erziehungsberatungsstellen und vieles mehr. Oft finanziert von den freien Trägern der Diakonie, Caritas, pro familia usw.

Was sich jedoch immer noch hartnäckig hält, ist die Scham darin, eine Beziehung "in den Sand" gesetzt zu haben. Gedanken wie: ich bin nicht stark genug, ich zerstöre eine Familie, es liegt alles an mir, was tue ich da meinen Kindern an und viele weitere Gedankenblasen ploppen auf. Diese hindern Betroffene häufig daran frühzeitig zu handeln. Vielleicht wäre es da auch noch möglich gewesen die Beziehung zu retten.

Ein jahrelanger Prozess

Dieses Thema beschäftigt einfach alle Eltern. Was macht eine Scheidung mit meinem Kind und was ist wichtig? Was muss ich wissen? Denn wenn du ein bestimmtes Hintergrundwissen hast, kannst du schon anders agieren und deine Trennung gestaltet sich evtl. entspannter. Vielleicht nicht äußerlich, jedoch innerlich.

Eine Scheidung ist oft kein punktuelles Ereignis, sondern sie wird meist von jahrelangen Konflikten begleitet. Wobei der Scheidungszeitpunkt für jeden der Betroffenen ein anderer ist.

Auch für die Kinder. Während es für das eine Familienmitglied bereits ein langer innerlicher Prozess war, kommt es für andere völlig überraschend. D.h. der sich trennende Partner ist mit seiner Trauer und Enttäuschungsarbeit schon wesentlich weiter als alle anderen. Trotz jahrelanger Unzufriedenheit trifft die Trennung viele unvorbereitet. Für die Kinder beginnt der Prozess erst mit der Mitteilung der Eltern bzw. mit dem Auszug eines Elternteils.

Im Gegensatz zu anderen Trauerprozessen, wie bei einem Todesfall, fällt bei Scheidungen häufig der familiäre Rückhalt weg. Eltern und Schwiegereltern, Freunde usw. mischen sich in die Situation ein. Jeder weiß es besser. Ist emotional mehr dem einen oder anderen zugewandt. Manche ziehen sich, aus Überforderung, auch komplett zurück. Freundschaften brechen auseinander. Somit verlieren Kinder nicht nur einen Elternteil, sondern auch einen Teil ihres sozialen Umfeldes. Meist kommt dann noch ein Umzug hinzu, ein Schulwechsel oder eine externe Betreuung am Nachmittag.

Veränderungen machen Kindern Angst

Wenn die Eltern nun auch auf der Elternebene nicht gut funktionieren, wird die Angst noch größer. Ein Loyalitätskonflikt kommt hinzu. Darf ich Mama UND Papa lieb haben? Muss ich mich

nicht für einen entscheiden? Wie muss ich mich verhalten, dass Mama und Papa mich weiter lieben? Ist die Liebe zu mir auch endlich? Wann hört die Liebe zu mir auf?

All diese Fragen und viele mehr begleiten die Kinder bewusst oder unbewusst.

Aus diesem Grund tendieren Scheidungskinder dazu sich besonders angepasst zu verhalten. Sie wollen nicht riskieren, dass sich ein Elternteil von ihnen abwendet. Ein Kind ist auf den Elternteil angewiesen, bei dem es lebt und wird immer versuchen alles zu tun, damit es dort safe ist! Sie fangen an ihr eigenes SEIN zu unterdrücken. Was meine ich damit?

Wenn sie z.B. wütend, traurig, verzweifelt und aggressiv sind, dann versuchen sie diese Gefühle wegzudrücken. Sie haben gelernt, dass diese Gefühle in der Erwachsenenwelt nicht gerne gesehen sind und viele überfordert. Deshalb achten Scheidungskinder noch mehr darauf angepasst zu sein. Sie wollen dazugehören! JETZT noch wichtiger!

Dies kann zur Folge haben, dass manche Kinder in der Schule/ im Kindergarten zu Wutausbrüchen, aggressivem Verhalten und Mobbing tendieren. Die daheim ungelebten Gefühle brauchen ein Ventil und dieses öffnet sich dann an Orten, wo das Kind nicht abhängig davon ist, ob die Beziehung bestand hat oder nicht.

Die Schuldfrage

Bei einer Scheidung stellt sich oft auch die Schuldfrage. Kinder haben eine eigene Vorstellung von der Paarbeziehung ihrer Eltern. Sie unterschätzen oft Konflikte, suchen Erklärungen und nehmen teilweise die Verantwortung auf sich. Sie fühlen sich häufig verantwortlich, wenn es zwischen den Eltern nicht läuft. Der Wunsch nach einer „heilen“ Familie ist bei Kindern sehr groß und bleibt bei vielen auch lange aufrecht. Deshalb versuchen Kinder auch Streit zu schlichten oder durch gezeigte Symptome die Eltern von ihrem eigenen Konflikt abzulenken. Wenn sich die Eltern dann trotzdem trennen, schleicht sich bei den Kindern oft unbewusst das Gefühl ein, versagt zu haben. Hilflosigkeit und Ohnmacht entstehen. Dabei kann es passieren, dass die Kinder heftige Schuldzuweisungen an ihre Eltern richten. Diese dienen der eigenen Entlastung. Das passiert alles unbewusst und wird meist nicht bewusst gesteuert.

Viele Eltern machen nun den Fehler, die Schuld nur beim jeweiligen Partner zu suchen. Das bringt das Kind in eine echte „Bredouille“.

Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass es mich als Kind enorm unter Druck gesetzt hat, wenn meine Eltern schlecht voneinander geredet haben. Bei mir kam dabei das Gefühl auf, es wäre schlecht, wenn ich Mama oder Papa lieb habe. In meiner Studienzeit durfte ich diesen Konflikt nochmal kennenlernen.

Während eines Praktikums im Heim konnte ich erfahren, wie sehr Kinder ihre Eltern lieben. Egal was mit ihnen gemacht wurde. Ein Satz meiner Praxisanleitung begleitet mich nach wie vor: "Weißt du Pamela, die Liebe zu den Eltern dürfen wir den Kindern nicht nehmen. Es ist ok, wenn sie ihre Eltern lieben! Wir müssen die Person von dem Verhalten trennen. Das Verhalten der Eltern darf kritisiert werden, die Liebe darf bleiben!"

Dies bedeutet: ein Kind erlebt sich als Teil von Vater und Mutter. Alles und wirklich alles, was ich als Vater oder Mutter an dem anderen Elternteil kritisiere, bezieht das Kind auch auf sich!!

Das ist nicht nur psychologisch untermauert, sondern habe ich selbst erfahren. Was hat dies für Auswirkungen? Der Selbstwert des Kindes sinkt. Deshalb ist es so wichtig zu beachten. Die Paarebene ist gescheitert, die Elternebene sollte jedoch weiterhin respektvoll gelebt werden. So haben auch Scheidungskinder eine Chance aus der Krise heraus zu wachsen!

Tipps

Bis dahin schon einige Tipps:

1. Gebt eurem Kind die Gelegenheit Fragen zu stellen und beantwortet diese nicht aus dem eigenen Groll heraus, sondern möglichst neutral. Denkt daran, euer Kind trägt eure Anteile in sich und die eures Ex-Partners.

2. Schenkt eurem Kind einen Raum, wo alle Gefühle gelebt werden dürfen. Trauer, Wut, Verzweiflung müssen raus! Fragt, was euer Kind jetzt braucht und dass es gut ist, dass es diese Gefühle rauslässt. Zerstört es dabei Sachen, dann zeigt dem Kind, wie es anders mit den Gefühlen umgehen kann. Z.B. in ein Kissen schlagen, in den Wald gehen und gemeinsam die ganze Wut rausschreien.

3. Bringt eure Kinder nicht in einen Loyalitätskonflikt. Es ist ok, dass euer Kind nach wie für Sympathien für Mama oder Papa hat. Es liebt! Das darf sein und ist wichtig, um gefestigt durch diese Zeit gehen zu können.

4. Trennt Paar- und Elternebene. Als Paar (allein) könnt ihr unangenehme Themen ansprechen, streiten usw. jedoch als Eltern solltet ihr an einem Strang ziehen und respektvoll agieren. Ich weiß, dies ist nicht immer einfach. Doch stellt euch dabei vor, was für euer Kind wichtig ist. Solltet ihr Probleme damit haben, dann sucht euch Unterstützung.

5. Denkt daran: Es braucht viel Zeit, bis euer Kind sich wieder eingependelt hat. Bis es wieder Vertrauen in dich als Elternteil fassen kann. Schenke ihm Sicherheit, Liebe, Zeit und einen Beziehungsraum. Verbringe schöne Momente mit dem Kind.

6. Mache das Kind nicht zum Partnerersatz. Überlege genau, was du mit deinem Kind besprichst. Ja, du darfst deine Verletzlichkeit durchaus zeigen, musst jedoch auch der sichere Halt für dein Kind sein. Es geht um ein sowohl als auch. So lernt dein Kind, dass es beides im Leben gibt und dich die Situation auch beschäftigt.

7. Buchtipps und Literatur: Zicke, zacke Trennungskacke – und wie du da durchkommst (Carlsen Verlag), Was wenn Eltern auseinandergehen (LOEWE Verlag), Scheidungskindern helfen – 135 Übungen, um Kinder achtsam durch die Trennung zu begleiten (BELTZ JUVENTA Verlag)

Zu guter Letzt

Zu guter Letzt…nächstes Jahr biete ich Kurse (on- und offline) für Scheidungskinder an. Mehr dazu findest du auf meiner Homepage www.zurbuchen-therapie.de. Warum ich das mache? Weil es mir echt am Herzen liegt. Mich hat die Scheidung meiner Eltern sehr geprägt und ich möchte gerne Kindern und Eltern helfen, besser durch diese Zeit zu kommen. Gerade, weil ich in meiner Praxis als Therapeutin wieder erlebe, wie schwer es den Familien fällt.

Gastbeitrag Pamela Zurbuchen

www.zurbuchen-therapie.de

www.lehrercoach.de

©Vika_Glitter/pixabay; Zorro4/pixabay; geralt/pixabay; OpenClipart-Vectors/pixabay

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